Sehr geehrte Damen und Herren, Liebe Anwohnerinitiative Marthashof,
nachstehend übersende ich Ihnen die gemeinsame Antwort der Direktkandidaten für den Wahlkreis 76 (Mitte) und 77 (Pankow), Klaus Lederer und Stefan Liebich.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Barthel
Pers. Referent des Landesvorsitzenden
*1.* Wie stehen Sie zu den Plänen zur Bebauung des Mauerparks wie sie der Baustadtrat des Bezirks Mitte Herr Ephraim Gothe und die Vivico Real Estate in dieser Planstudie vorgelegt haben neuergothe_plan.jpg <http://mauerpark-
Ich lehne die auch die neuen Pläne, die Herrn Gothe mit der Vivico GmbH zur Bebauung des für die Mauerparkfertigstellung vorgesehenen Geländes abgesprochen hat, ab. Stefan Liebich, Direktkandidat der Linken für den Nachbarwahlkreis in Bezirk Pankow, und ich haben in einer Erklärung, die ich Ihnen beifüge, unsere Position, die Position der Berliner Linken erläutert. Wenn Gothe und der Berliner Stadtentwicklungsverwaltung mit der Vivico Flächen gegen Baurechte tauschen wollen, dann wird kommunales Handeln zur marktgängigen Tauschware. Das Land Berlin und die Bezirke Mitte und Pankow müssen die öffentlichen Interesse und Ziele definieren und dann diese mit dem entsprechenden rechtlichen Mitteln umsetzen. Im Flächennutzungsplan ist hier Grün als Ziel der Gemeinde ausgewiesen. Politiker aller Parteien hatten in den letzten Jahren bekundet, dass Sie den Mauerpark fertig stellen wollen. Außer Stadtrat Gothe hat niemand bislang erklärt, dass die Bebauung mit neuen Wohnbaublöcken statt des Mauerparks ein öffentliches Interesse wäre. Gothe und die Stadtentwicklungsverwaltung haben die Aufgabe die öffentlichen Ziele umzusetzen oder eine neue politische Zielsetzung durch eine Änderung der entsprechenden Beschlusslage herbeizuführen. Die Verwertungsinteressen des Grundstückseigentümers können hier nicht maßgeblich sein. Statt Wohnungsbau zu ermöglichen, sollte Gothe einen B-Plan vorlegen, der das Gewerbegelände als Grünfläche ausweist.
*2.* Wie stehen Sie generell zu dem Problem der innerstädtischen Verdichtung, wie es sich in besonders krasser Art und Weise bei den Bauprojekten Marthashof und Kastaniengärten in der Schwedter Straße, sowie in der geplanten 9-geschossigen durchgehenden Bebauung an der Bernauer Straße, also an der Grenze zwischen den Bezirken Prenzlauer Berg und Mitte zeigt?
Wie sehen Sie die sozialen Konsequenzen dieser Verdichtung, im Besonderen im Hinblick auf Begriffe wie Gentrifizierung und Aufwertung?
Wie beurteilen Sie die ökologischen Konsequenzen dieser Flächenversiegelung?
Die dichte Neubebauung und bauliche Verdichtung bereits bebauter Grundstücke in den Ostberliner Innenstadtquartieren ist Folge und Motor der Bodenpreisentwicklung zugleich. Es lässt sich viel Geld mit einer intensiven Grundstücksausnutzung verdienen, weil die Nachfrage hoch ist.
Und man muss als Erwerber die Grundstücke intensiv ausnutzen, weil der Bodenpreis so hoch ist. Das ist ein aus Gewinnstreben sich hochschaukelnder Prozess bis die Blase platzt. Mit sozialer Stadtentwicklung, klugem Städtebau oder gesunden Wohn- und Arbeitsverhältnissen hat dies nichts zu tun.
Das Projekt Marthashof scheint mir weniger hinsichtlich der Bebauungsdichte auf dem eigenen Grundstück problematisch, als vielmehr hinsichtlich seiner Einordnung in die Umgebungsbebauung. Hier ist mir nicht nachvollziehbar, warum am Ende des Wettbewerbsverfahrens eine Baufigur herausgekommen ist, die ohne jedes erkennbares Erfordernis die vorhandene Bebauung an der Oderberger Straße und der Kastanienallee in der Wohnqualität stark beeinträchtigt. Das Argument, dass es im Prenzlauer Berg überall solche Dichten in der Bebauung gäbe, ist m.E. ohne Gewicht. Man muss im 21.Jahrhundert nicht dort noch nachträglich schlechtere Wohnqualitäten schaffen, wo die Bodenverwertung der vorhergegangenen hundert Jahre - aus welchen Gründen oder Zufällen auch immer - noch Freiräume gelassen hat.
Bei einer Bebauung der Südseite der Bernauer Straße kommt es m.E. vor allem auf das Wie an. Straßenbegleitend ist eine Bebauung im Sinne von Stadtreparatur nicht zwingend auszuschließen. Allerdings wäre dabei die Tiefe der Grundstücke von Bebauung freizuhalten und nicht nur ein hinreichender Abstand zu Bestandsbebauung zu sichern, sondern zu dem sollte der frühere Plan den "Postenweg" als grünen innerstädtischen Rand- und Wanderweg zu gestalten, noch umgesetzt werden.
Die weitere Verdichtung der ohnehin schon sehr dichten Innenstadtbebauung ist Moment der "Aufwertung" insbesondere der Quartiere in Mitte, Prenzlauer Berg und Friedrichshain. Hier vollzog und vollzieht sich in edigenartiger Weise ein stadträumlicher sozialer Wandlungsprozess für den der Begriff Gentrifizierung geprägt wurde.
Allerdings gab es dabei in den Ostberliner Quartieren auch einige nicht unwesentliche Besonderheiten. Hier war die bauliche Substanz zwar heruntergewirtschaftet, aber die Bewohnerschaft war in Ihrer sozialen Zusammensetzung sehr gemischt. Es hatte, auf Grund der gesellschaftlichen Verhältnisse in der DDR, keine soziale Segregation stattgefunden. Auf Grund dieser sozial gemischten Bewohnerstruktur, die sich auch in den ersten Jahren nach dem Zusammenbruch der DDR noch reproduzierte, wurden die Gebiete interessant für private Kapitalinvestitionen in die Erneuerung des Altbaubestandes und deren Erweiterung (Dachgeschossausbau und Neubau). Dieser Prozess wurde durch öffentliche Förderung angeschoben und beschleunigt und trieb mit den privaten Investitionen auch die Mietpreise und den Eigentumswohnungsanteil in die Höhe. Auf der Strecke blieb die soziale Durchmischung dieser Wohnquartiere. Durchschnittlich 85 bis 90% der heutigen Bewohner sind erst in den letzten 15 Jahren in diese Quartiere gezogen. Einkommensschwache Mieter wurde heraus gedrängt bzw. können nicht mehr in das Gebiet zu ziehen, es sei denn, sie können eine der preisgebundenen Förderwohnungen mieten.
Fazit: Gentrifizierung und bauliche Verdichtung sind zwei Seiten ein und der selben Medaille, der Aufwertung und Immobilienpreissteigerung.
Die ökologischen Nachteile dieser Entwicklung liegen auf der Hand:
dichtere Bebauung bedeutet mehr Versiegelung und weniger Grün auf privaten Flächen in den Blockinnenbereichen mit den entsprechenden Folgen für das Stadtklima. Hinzukommt, dass durch wachsende Zahl der Einwohner auf engem Raum auch die Verkehrsbelastung durch den privaten wie den gewerblichen Verkehr auf diesen Raum bezogen zunimmt.
Besonders kontraproduktiv ist unter ökologischem Gesichtspunkt die angestrebte Bebauung auf Teilflächen des ehemaligen Bahngeländes der Nordbahn, weil dieser Bereich für die Belüftung der Innenstadt, für die Zufuhr von Kalt- und Frischluft aus Norden sehr wichtig ist.
*3.* Vielfach gehen derartigen Problematiken eine Privatisierung des öffentlichen Eigentums voraus: sollte es bei der Entscheidung über Privatisierung von öffentlichem Eigentum eine Bürgerbeteiligung geben, und wie sollte diese sich gegebenenfalls gestalten ?
Fast alle von Ihnen genannten Problemfälle sind mit Verkäufen von Grundeigentum des Bundes und des Landes Berlin verbunden. Nicht bei jedem Verkauf öffentlichen Eigentums ist eine direkte Bürgerbeteilung erforderlich und sinnvoll. Allerdings sollten Immobilienverkäufen, von denen besondere Wirkungen auf die sozialen, städtebaulichen und ökologischen Rahmenbedingungen zu erwarten sind, eine breite Befassung in den politischen Gremien (BVV und Abgeordnetenhaus) und in der Öffentlichkeit (insbesondere der ggf. unmittelbar betroffenen Nachbarschaft) vorausgehen. Die öffentliche Hand hat eine gesellschaftliche und politische Verantwortung für die Folgenutzung von ihr verkaufter Immobilien. Diese Folgeabschätzung ist zwingend erforderlich, weil die Folgewirkungen ggf. dem Gemeinwesen teuer zu stehen kommen, teuerer als die Einnahmen aus dem Verkauf.
Für die Bürgerbeteiligung gibt es verschiedene Formen: Mitwirkung in den Ausschüssen der Gremien der politischen Entscheidungsfindung, in Beiräten, in baurechtlichen Verfahren nach Baugesetzbuch (FNP, B-Plan), in Bürgerforen und im Einzelfall auch in Bürgerbefragungen und Bürgerentscheiden.
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3. Ali Kamburoglu, unabhängiger Kandidat
Sehr geehrter Herr Schleicher,
vielen Dank für Ihre Anfragen, auf die ich wie folgt Stellung nehme:
1. ich unterstütze die Initiativen der Bürgerbewegung gegen die Bebauungspläne des Baustadtrates des Bezirkes Mitte und des Unternehmens Viveco Real Estate. Ich habe mich als Kandidat zur Direktwahl in den Deutschen Bundestag entschieden, um u. a. dem Privatisierungswahn Einhalt zu bieten, der letztlich zur Umverteilung von Ressourcen von unten nach oben führt. Luxusvillen im Mauerpark sind der falsche Beitrag, um der Verelendung breiter sozialer Schichten entgegenzuwirken.
2. Generell stehe ich auf dem Standpunkt, dass städtebauliche Maßnahmen in erster Linie der Allgemeinheit zu gute kommen müssen. Die weitere innerstädtische Verdichtung steht diesem Ziel entgegen, da sie lediglich die Wohnbedingungen für Besserverdienende verbessert. Mit den von Ihnen angeführten konkreten Bauprojekten habe ich mich noch nicht beschäftigt, so dass ich Ihnen momentan nur meine prinzipielle Meinung darlegen kann.
In meinem Wahlprogramm fordere ich mehr gegen Armut und Arbeitslosigkeit zu unternehmen. Ich trete zur Wahl an mit der Feststellung: Unsere Kinder sind unsere Zukunft. In diese Zukunft müssen wir aber auch investieren. Yuppies in Wohngebieten, die bisher von eher sozial schwachen Bevölkerungsschichten bewohnt werden, verschärfen die Widersprüche, ohne einen Beitrag zur Lösung zu bringen. Statt einer angeblichen Aufwertung von Wohngebieten durch Luxussanierung fordere ich, die Mittel für Freizeitangebote, die allen zu Gute kommen, einzusetzen. Flächenversiegelungen, die nur einzelnen nutzen, lehne ich ab. Wenn gebaut werden soll, dann so, dass alle etwas davon haben. Ansonsten bleiben die Flächen grün.
3. Ich sehe in Bürgerbewegungen eine Möglichkeit , die Privatisierung öffentlichen Eigentums zu stoppen.
- Partizipation der Bevölkerung Wedding/ Prenzlauer Berg
- Bürgerversammlungen
- Befragungen der Anwohner + Nutzer
- Ergebnisse Auswerten und in Planungen einfließen lassen
- Gestaltung + Planung im Sinne der Betroffenen !
Mit freundlichen Grüßen
Ali Kamburoglu
die von Ihnen angesprochnenen Fragestellungen sind kommunaler bzw. landespolitischer Art. Solche Entscheidungen werden auf der Ebene der Gemeinde und ggf. des Landes getroffen, nicht aber durch den Bund. Das gilt sowohl für die Frage nach Ausdehnung des Mauerparks als auch die Frage der Privatisierung, Bebauung und Aufwertung von Stadtquartieren.
Ich kann Ihnen nur generell sagen, daß ich es für wünschenwert hielte, wenn das Mauerareal weiträumig erhalten bliebe, um diesen Teil deutscher Geschichte anschaulich zu erhalten.
Allerdings sind offenbar Flächen an den Immobilienentwickler Vivico verkauft worden. Solange das Land Berlin und der Bezirk Mitte der Vivico nicht diese Flächen abkaufen, bleibt nur die Variante: Gar nicht erweitern und Millionen zurückzahlen, oder den vom Bezirksamt Mitte vorgeschlagenen
Kompromiss umzusetzen, deutlich den Park zu erweitern und dafür eine Randbebauung der Vivico in Kauf zu nehmen.
Angesichts des sparsamen Umgangs mit Steuergeldern scheint mir eine besonders sorgfältige Interessenabwägung nötig. Bitte richten Sie ihre Frage an den Berliner Senat aus SPD und Linken, der für diese Situation zuständig ist.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Kurt M. Lehner
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